Hochwasserereignisse sind komplexe Vorgänge. Die sogenannte Reinwassermodellierung stellt den Abfluss des Wassers dar. Dies ist jedoch nur eine grobe Schätzung. In der Realität beeinflussen viele weitere Faktoren den Ablauf eines Hochwasserereignisses. Besondere Gefährdungen, die hauptsächlich durch die Wechselwirkungen zwischen dem fließenden Wasser und den lokalen Gegebenheiten entstehen (wie beispielsweise Brücken, Schutzbauten oder angrenzende Hänge), haben einen maßgeblichen Einfluss auf die entstehenden Schäden. Im Kontext der Reinwassermodellierung spricht man bei solchen Gefährdungen von Prozessszenarien.
Bei der Modellierung von Hochwasserereignissen helfen uns die Prozessszenarien also dabei, die möglichen Folgen und Abläufe besser einzuschätzen. Prozessszenarien für Ereignisse mit niedriger Wahrscheinlichkeit haben auch das Versagen, wasserbaulicher Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen.
Der Begriff Erosion bezeichnet im Allgemeinen den Abtrag und Transport von Feststoffen beispielsweise durch fließendes Wasser, Wind oder einen Gletscher. Bei fluvialer Erosion, die von einem Fließgewässer ausgeht, dominieren Tiefen- und Seitenerosion. Durch Tiefenerosion gräbt sich ein Gewässer tiefer in sein Bett ein. Seitenerosion wirkt in horizontaler Richtung.
Ufererosion kann sowohl durch Seiten- als auch Tiefenerosion beziehungsweise durch eine Kombination aus beiden Prozessen hervorgerufen werden und bezeichnet den langsamen Abtrag von Ufermaterial. Im Bereich von Schutzbauwerken kann Ufererosion die Schutzwirkungen dieser Bauwerke beeinträchtigen und sogar zum Versagensfall führen.
Ufererosion tritt verstärkt an Flusskrümmungen auf. In gekrümmten Fließstrecken verlagert sich der sogenannte Stromstrich, der Bereich mit der größten Fließgeschwindigkeit, an den Außenbogen des Gewässers. Dort, am sogenannten Prallhang, findet durch Erosion ein Abbau von Energie statt. Am Innenbogen (dem sogenannten Gleithang) sind die Fließgeschwindigkeiten geringer. Oftmals reicht hier die Energie nicht mehr aus, um Material weiter zu transportieren. Hier findet dann der Umkehrprozess zur Erosion statt: Material wird abgelagert und es kommt zur sogenannten Sedimentation.
Als Rutschung bezeichnet man die Bewegung von Erd-, Fels- oder Lockergesteinsmassen hangabwärts entlang einer Gleitfläche. Die Geschwindigkeit von Rutschungen kann sehr unterschiedlich sein und reicht von wenigen Zentimetern im Jahr bei tiefgründigen Rutschungen hin zu spontanen schnellen Abgängen. Rutschhänge sind Hänge die insbesondere aufgrund ihrer Geologie und Topographie besonders zu Rutschungen neigen.
Wenn ein Rutschhang im Fall eines Hochwasserereignisses durch Ufererosion betroffen ist, können sich hochdynamische Prozesse entwickeln. Zudem kann es insbesondere durch Starkniederschläge zu einer Reaktivierung von Rutschprozessen kommen.
Erreicht die Rutschmasse das Bachbett, kann es dort zu einer Ablagerung von Rutschmaterial kommen. Der Materialeintrag kann Prozesse wie Gerinneausbrüche und Flussverwerfungen oder Verklausungen initiieren. Zudem ergibt sich eine große Gefährdung für Menschen, Infrastrukturen und Gebäude, die sich am Rutschhang befinden.
Fließendes Wasser entwickelt große Kräfte. Je höher die Intensität eines Hochwassers ist, desto höher ist auch die sogenannte Feststofftransportkapazität. Diese Größe gibt die maximale Feststoffmenge an, die das Wasser bei bestimmten Abflussbedingungen transportieren kann.
In vielen Fällen handelt es sich bei dem mittransportierten Material um Wildholz. Die Holzstücke reichen von kleineren Ästen bis hin zu ganzen Bäumen, die von der Strömung mitgerissen werden.
Aber auch viele andere Feststoffe werden vom Wasser weitertransportiert. Insbesondere in menschlich stark genutzten Bereichen ist abhängig von der Intensität des Hochwassers von Kunststoffgegenständen bis hin zu Personenkraftfahrzeugen fast alles möglich.
Das mittransportierte Material gefährdet Menschen und Objekte, da es Verletzungen und strukturelle Schäden verursachen kann. In weiterer Folge kann es außerdem zu Verklausungen kommen.
Im Zuge von Hochwasserereignissen kommt es zu einem verstärkten Materialtransport. Im Bereich von Engstellen wie Brücken, natürlichen und künstlichen Engstellen im Gerinne oder an Wehren können Ansammlungen aus mitgeführtem Material zu Verstopfungen führen. Man spricht von sogenannten Verklausungen. Das Wasser kann dann nicht mehr ungehindert abfließen und der Wasserspiegel steigt.
Übersteigt der Wasserspiegel die Kapazität des Gerinnes, tritt das Wasser über die Ufer und sucht sich neue Fließwege. Durch den Aufstau wird die Fließgeschwindigkeit verringert und die Kapazität des Gewässers, Material weiter zu transportieren, wird geringer. Insbesondere in Kombination mit dem Geschiebetransport kann dies zu einem progressiven Ablagerungs- und Ausuferungsprozess während eines Hochwassers führen.
Infolgedessen kann es zu einer teilweisen Verlagerung des Flussbetts kommen, begleitet von Erosion in zuvor unberührten Bereichen. Steigt der Druck auf die Verklausungsstelle, kann es zu einem schlagartigen Durchbruch und einer Schwallbildung kommen. In Kombination mit dem angesammelten Holz und Geschiebe steigt das Gefahrenpotenzial maßgeblich! Entsprechende Materialansammlungen können auch an anderen Abflusshindernissen (z.B. stabile Zäune), die quer zur Fließrichtung stehen, auftreten.
In Folge langer Kälteperioden können auf der Oberfläche von Gewässern Eisschichten entstehen. Tritt eine schnelle Erwärmung auf, entstehen Brüche in der Eisoberfläche. Es entstehen Schollen, die Treibeis genannt werden. Kann dieses Treibeis aufgrund eines Abflusshindernisses oder einer anstehenden Eisdecke nicht abtransportiert werden, kommt es zu einem Aufstau der Eisplatten sowohl in die Höhe als auch unter Wasser in Richtung Gewässersohle.
Das Wasser kann nicht mehr ungehindert abfließen und es kommt wie bei Verklausungen zu Überflutungen bzw. zu einer Flutwelle mit Eisanteilen. Eisstöße sind in Österreich an der Donau, aber auch bei kleineren Gewässern, wie an der Großen Krems oder der Thaya im niederösterreichischen Waldviertel dokumentiert.
Als Grundeis bezeichnet man Eis, das an der Sohle von fließenden Gewässern entsteht. Das Phänomen tritt nur bei langen Frostperioden auf. Dabei sinken die Temperaturen der Gewässersohle unter den Gefrierpunkt. Da an der Sohle im Wasser die geringste Durchmischung stattfindet, beginnt dort – anders als bei stehenden Gewässern – die Eisbildung. Durch die geringere Dichte von Eis kommt es zu einem Auftrieb. Bei größeren Volumen löst sich das Grundeis und wird als Treibeis (oft in Kombination mit Kies und Schlamm) transportiert. So kann auch in Folge von Grundeis ein Eisstoß bzw. eine Verklausung entstehen. Zudem verringert sich durch die Grundeisbildung die für das Wasser verfügbare Größe des Flussbetts, was zu Überflutungen führen kann.
Bringt ein Zubringer, also ein einmündendes kleineres Gewässer, in kurzer Zeit eine große Menge an Geschiebe in ein Gewässer ein, so spricht man von einem Geschiebeeinstoß. Geschiebeeinstöße können die Sohle eines Gerinnes anheben oder sogar vollständig blockieren. Auch Murgänge oder Lawinen können diese Auswirkung haben. Wie bei Verklausungen können diese Verstopfungen ein Abflusshindernis darstellen und zu Ausuferungen und Überschwemmungen führen.
Zudem bestehen folgende Risiken:
In der Gefahrenzonenplanung kann dieser Prozess durch eine Veränderung der Modellierungsbedingungen oder durch eine Anpassung des digitalen Geländemodells berücksichtigt werden. Je nach Größe der Einzugsgebiete der zwei betrachteten Gewässer werden unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten angenommen und die maximale Überflutungsfläche ausgewiesen.
Ist die Kapazität eines Gerinnes erreicht, kommt es zu Ausuferungen – einem Gerinneausbruch. Den Ort, an dem ein Gewässer sein Bett verlässt, bezeichnet man als Ausbruchstelle. Gerinneausbrüche können sehr unterschiedliche Ursachen haben. Ausbrüche können aufgrund der natürlichen Topographie an verschiedenen Stellen entstehen. Sie können jedoch auch durch unterschiedliche Prozesse (wie Verklausungen, Geschiebeeinstöße oder Rutschungen) entstehen.
Bilden sich in weiterer Folge Fließwege außerhalb des Gewässerbetts, spricht man von einer Flussverwerfung. Bei Flussverwerfungen kann durch Erosionserscheinungen ein gänzlich neues Gewässerbett entstehen.
Dies tritt insbesondere dann auf, wenn im ursprünglichen Gerinne ein Abflusshindernis besteht, das nur bedingt durchflossen werden kann. Diese teils großräumigen Umlagerungen sind grundsätzlich zwar eine Folge natürlicher Prozesse (Wildflüsse mit geringerem Gefälle kennzeichnen sich zum Beispiel durch sogenannte Umlagerungsstrecken), können aber große Schäden in der Kulturlandschaft hinterlassen. Flussverwerfungen können insbesondere in flacheren Bereichen mit lockerem Untergrund, der leichter erodiert, auftreten.
Es gibt auch zahlreiche andere Beispiele für den Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Naturgefahren – das beste Beispiel dafür sind Tsunamis, die durch Rutschungen oder Erdbeben ausgelöst werden. Die Zusammenhänge sind enorm vielfältig und Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen. Du möchtest in die Welt der Wissenschaft eintauchen? Dann findest du hier einen wissenschaftlichen Artikel zu dem Thema.
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Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft
Abteilung I/6 – Hochwasserrisikomanagement
Marxergasse 2
1030 Wienhochwasserrisikomanagement[at]bml.gv.at
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